Aus den Protokollen des WORLD CAFÈs der Konferenz der Straßenkinder und Flüchtlingskinder vom 25. September 2015
Themenkomplex: GESCHLOSSENE HEIME
Welche Erfahrungen wurden gemacht?
Die Jugendlichen haben durchweg schlechte Erfahrungen mit Unterbringung in Heimen insgesamt gemacht oder von anderen nur schlechtes gehört.
Sie fühlen sich als Individuen nicht beachtet.
Sie sollen in ein Schema gepresst werden und funktionieren.
Keiner fragt, was für sie eine gute Lösung ist.
Niemand interessiert sich für ihre Wünsche. Sie werden nicht ernst genommen.
Die Betreuer begegnen ihnen wie einem Feind. Kinder/Jugendliche und Betreuer in den Einrichtungen stehen gegeneinander. Sie arbeiten nicht zusammen im Sinne der Jugendlichen.
Geschlossene Heime schüchtern ein, machen seelisch kaputt, verunsichern und verängstigen.
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Die Jugendlichen der Konferenz berichteten von ähnlichen Zuständen aus eigenem Erleben, oder sie hatten es von anderen gehört. Ein Mädchen hat ihre eigene Geschichte aus einem geschlossenen Heim erzählt. Sie wurde dort anderthalb Jahre festgehalten, bis sie fliehen konnte. Das ist jetzt fast zwei Jahre her. Beim Erzählen haben ihre Hände vor Erregung gezittert und sie war sehr aufgewühlt.
Die Jugendlichen wurden weggesperrt. Ihnen wurde alles abgenommen. Sie durften keine persönlichen Dinge behalten, mussten Heimkleidung tragen und wäre damit „draußen“ erkennbar gewesen. Sie waren den Betreuern ausgeliefert. Es gab „Anti-Aggressionsmaßnahmen“: mehrere Betreuer haben sich auf ein Kind draufgesetzt, bis es ruhig war.
„Betreuer haben solange provoziert, bis man ausgerastet ist. Wenn man in sein Zimmer gehen wollte, um sich zu beruhigen, haben sie einen nicht gelassen. Sie haben nur gesagt, man solle sich endlich beruhigen. Die wussten ganz genau, dass es dann nur noch schlimmer wird und dann ist man wirklich ausgerastet. Und dann hatten sie wieder recht.“
Security-Leute standen überall. Man wird dort gedemütigt.
„Wenn man immer schön gelächelt hat und alles gemacht hat, was die wollten, hat man einen Chip bekommen und damit dann Vergünstigungen. “
„Alles musste sich erkauft werden“
„Am Anfang war man nur in seinem Raum. Da durfte man 10 Minuten am Tag raus, mit einem Betreuer. Aber nur, wenn der das nicht vergessen hat.“
„Man musste frage, ob man was sagen darf. Durfte einen Raum nur nach Aufforderung betreten. Wenn man aufs Klo musste, musste man klopfen und fragen, ob man das darf.“
„Ich hab immer alles versucht richtig zu machen, weil ich so Angst hatte, vom Tagesablauf ausgeschlossen zu werden.“
„Ich hatte ständig Angst, etwas falsch zu machen. Ich war so verunsichert. Irgendwann konnte ich mich gar nicht mehr einschätzen.“
„Im geschlossenen Heim hat man nur Zeit Rachepläne zu schmieden.“
„Heime sind voll unnötig. Die sollen auf das Leben vorbereiten und das geht in geschlossenen Heimen gar nicht. Draußen ist es dann ganz anders und man kommt gar nicht mehr klar.“
„Man soll doch in die Gemeinschaft integriert werden. Aber das funktioniert nicht, wenn man weggesperrt wird. Wie soll man denn da lernen, im Leben klarzukommen.“
„Ich hab einen Freund, der war in einem geschlossenen Heim. Der sagt, dass es für ihn gut war. Aber ich weiß nicht warum. Als er rauskam hat er nur abgehangen und gezockt. Jetzt geht es bei ihm steil bergauf; eigentlich seit er eine Freundin hat und sie bekommen sogar ein Kind, und er geht arbeiten, obwohl er einen kranken Rücken hat.“
„Die Wahrscheinlichkeit, dass es alles schlimmer macht, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dass man im geschlossenen Heim besser wird.“
Ich dachte immer: „Ich will alles, nur nicht da rein.“